Die Dämonenschatz-Saga. Die Abenteuer von Bandath, dem Zwergling
Aus dem Kapitel: Das Duell im Gasthaus Zum Rülpsenden Drummel-Drachen
"Herr Magier, du wirst doch wohl nicht wirklich so kurz vor dem Winter noch einen längeren Ausflug unternehmen wollen?"
Wie gelang es Waltrude nur, die Worte ‚Herr Magier‘ stets so auszu-sprechen, als glaube sie nicht an seine magische Begabungen?, fragte sich Bandath zum wiederholten Male. Die alte Zwergin stand mitten in seinem Arbeitszimmer. Auf ihrer großen Schürze schimmerten feuchte Flecken vom Abwasch. Beide Hände hatte sie in die Hüften gestemmt, rechts hielt sie einen hölzernen Kochlöffel, als wolle sie einem Lausbu-ben damit das Hinterteil versohlen. Und immer, wenn Waltrude in die-sem Ton mit ihm sprach, kam er sich vor wie ein solcher Lausbub kurz vor einer berechtigten Tracht Prügel - auch wenn er schon weit über hundert Jahre alt und damit im besten Alter war. Die Zwergin, seine Haushälterin und gleichzeitig ein wichtiges Mitglied des vierköpfigen Rates von Neu-Drachenfurt, starrte ihn wütend an.
"Oh!" Niesputz erhob sich sirrend in die Luft. "Da fällt mir ein, ich habe noch eine wichtige Verabredung mit einigen Gräsern, draußen im Wald. Da ihr eure schwerwiegenden Probleme sicherlich allein lösen könnt, gehe ich dann mal. Ihr wisst ja, wenn’s am Schönsten ist …"
Niesputz war ein Ährchen-Knörgi, ein Angehöriger eines kleinen Volkes weit im Süden - das behauptete er jedenfalls von sich. Der Ma-gier jedoch hatte im letzten Jahr feststellen müssen, das bedeutend mehr in seinem kleinen, grünen Freund steckte, als dieser zugab. Smaragdfar-bene Funken versprühend surrte das Ährchen-Knörgi aus dem offenen Fenster in die Dämmerung davon.
"Sieh deinem kleinen Kameraden nicht so traurig hinterher, Herr Ma-gier, ich rede mit dir", herrschte die Zwergin ihn an. Seit Jahren bat er sie, ihn mit seinem Namen anzureden, vergebens. Sie hatte zwar bei sei-ner Geburt geholfen und ihm nach dem frühen Tod seiner Mutter erzo-gen, aber seit er von seiner Magierausbildung aus Go-Ran-Goh zurück-gekehrt war, redete sie ihn nur noch mit Herr Magier an.
"Ich habe mir im letzten Jahr genug Sorgen um dich gemacht. Da musst du nicht schon wieder losziehen, vor allem, da du nun endlich eine junge und hübsche Frau in deinem Haus hast."
"Aber von Barella stammt doch die Idee, nach Cora-Lega zu gehen! Sie hatte den Wunsch und ich habe es ihr im letzten Jahr versprochen", wagte Bandath einen Einwurf.
Natürlich überhörte Waltrude diesen Zwischenruf. Wenn sie Bandath die Leviten lesen wollte, dann tat sie das auch und zwar gründlich. Ir-gendwelche Gegenargumente zählten da nicht und brauchten also auch nicht beachtet werden. Kleinliche Hinweise auf Schuld oder Unschuld tat sie mit einer Handbewegung ab, gerade so, als wolle sie eine lästige Stechfliege verscheuchen. Ihr war das Abendessen nicht gelungen (schließlich hatte Bandath ihr mitgeteilt, dass Barella, Niesputz und er in zwei Tagen aufbrechen würden) und soeben hatte sie eines der guten Gläser zerbrochen, die sie erst beim letzten Vollmond von diesem aal-glatten Händler aus dem Westen erstanden hatte. Übrigens ein ausge-kochtes Schlitzohr und ein Betrüger obendrein, wenn man sie fragte. Aber sie wurde ja nicht gefragt, niemals fragte auch nur irgendeiner nach ihrer Meinung. Es hieß ja hier in diesem Haus einfach: "Waltrude, wir ziehen los", und sie konnte sehen, wie sie zurande kam, so kurz vor dem Winter. Sie wurde ja nie gefragt, ihr teilte man einfach mit. […]